Die Clubmaschine (Berghain)

Kilian Jörg & Jorinde Schulz
Die Clubmaschine (Berghain)
Textem Verlag, 2018
215 S.
16,00 €

Schon der Begriff der Clubmaschine, ein Neologismus von Kilian Jörg und Jorinde Schulz, macht den philosophischen Anspruch dieser Lektüre klar. In Anlehnung an Deleuze und Guattaris Begriff der Kriegsmaschine, einem Freiraum für subversive Kräfte innerhalb eines Territoriums der Macht, wird die Clubmaschine als Freiraum und Auffangbecken subversiver Energie in der Wohlstandsgesellschaft des 21. Jahrhunderts dargestellt. „Durch das transhumane Begehren der maschinellen Entfremdung im Clubraum, verfällt die postindustrielle Gesellschaft dem Clubphänomen, weil sie den Maschinen, die sie verlassen haben, nacheifern wollen,“ so die These von Jörg und Schulz.

Anhand einer Betrachtung des legendären Berliner Clubs Berghain, den sie als Kondensat von Subkultur, masturbatorischem Ereignis und Geldmaschine verstehen, gehen Jörg und Schulz ihrer Behauptung auf den Grund. Das Buch ist ein Hybrid aus Erzählung und philosophischer Analyse. Dabei wechselt die Sprache zwischen Deutsch und Englisch, zwischen Kommentaren aus Facebook-Chats im Jugendslang und sich wiederholenden großgeschriebenen sakralen Phrasen. Durch Erfahrungsberichten aus der Ich-Perspektive wird das Club-Erlebnis inszeniert. Es folgen philosophisch-auktoriale Analysen in eloquenter Sprache. Schulz und Jörg wollen makropolitische Spannungen, Tendenzen und Widersprüche unserer Gesellschaft ermitteln und das post-industrielle Lebensgefühl ergründen.

Daran arbeiten sie sich in acht Kapiteln ab: Methode, Tür, Romantik, Hype, Maschine-Werden, Sozialplastik, Paranoia und Clubmaschine. Von der Vorstellung der Methodik bis hin zum Nachtrag aus erzählender Perspektive und dem Verlassen des Berghains nach der Party, alles folgt einer klaren Dramaturgie. Stilistisch und sprachlich lässt sich aber kein klarer Leitfaden feststellen. Diese Extravaganz ist durchaus spannend, kann die Leser*innen aber auch verwirren.

Die Clubmaschine (Berghain) ist sicherlich kein schwärmerisches Disco-Buch oder der nächste Guide, wie man am besten ins Berghain reinkommt, sondern die gesamtgesellschaftliche Betrachtung eines Phänomens mit philosophisch-tiefgründiger Analyse des post-industriellen Lebensgefühls aus historischer und aktueller Perspektive. Kilian Jörg und Jorinde Schulz schaffen es nicht nur eine Vielfalt von Sichtweisen auf das Berghain aufzuzeigen, sondern auch diese kritisch im soziologischen und philosophischen Diskurs einzuordnen.

Felix Linke

Design und Punk

Russ Bestleys & Alex Oggs
Design und Punk – Posters + Flyers + Fanzines + Album-Covers
[The Art of Punk]
Hannibal, 2012
224 S.
15,00 €

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Lektüreseminars „40 Jahre Punk“ an der Universität Oldenburg unter der Leitung von Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer enstanden.

Trotz zahlreicher großformatiger Abbildungen, erläuternder Texte und Zeitzeugenberichte kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, am Ende genauso schlau zu sein wie vorher: Wer in „Design und Punk“ von Russ Bestley und Alex Ogg eine analytische Auseinandersetzung mit der Punkkunst erwartet, wird eher enttäuscht.

Die visuelle Zeichensprache des Punk speist sich, wie auch die künstlerischen Erzeugnisse anderer Subkulturen, aus einem Konglomerat von Einflüssen. In „Punk und Design“ begeben wir uns auf die Spur dieser musikalischen und künstlerischen Entwicklung. Im Buch widmen die Autoren (vorwiegend männlichen) Kunstschaffenden jeweils ein Kapitel und vollziehen anhand deren Erlebnisse und Erfahrungen die Entstehung des Punk nach. Bis zu einen gewissen Grad kann das ganz spannend und unterhaltsam sein, allerdings schleichen sich dabei auch viele Redundanzen ein. Welche Personen auf wen trafen, um dann x-beliebige so und so vielte Band zu gründen: Das hat nichts mehr mit einer Untersuchung der Design-und Grafikkunst des Punk zu tun. Bei den flüchtig hingestreuten Anekdoten blitzt hier und da ein interessanter Aspekt auf, welcher der ansonsten konventionellen chronologischen Herangehensweise der Autoren interessante Momente verleiht.

Schaut man sich die besprochenen Kunstschaffenden aber an fällt unmittelbar auf, dass Frauen und deren künstlerisches Schaffen lediglich Randnotizen bleiben. Ab und zu darf „sexy“ Blondie von einem ausgewählten Plattencover lasziv blinzeln; Patti Smith wird kurz aufgrund ihres androgynen Images erwähnt. So ein legendäres Cover wie The Slits‘ „Cut“ bleibt aber relativ unkommentiert. Das ist ziemlich unverständlich, bilden doch Provokation und Grenzüberschreitung einen Schlüsselmoment des Punk.

Kunstgeschichtliche Zusammenhänge – der Suprematismus und die französischen Situationisten finden als Einflüsse Erwähnung – tauchen in dem Band auf, werden aber nicht weiter ausgeführt. Das kann durchaus auch eine Anregung für Leser*innen sein, selbstständig weiter zu recherchieren, aber scheint im Hinblick von Bestley und Oggs Background doch schon eher ein süffisant. Schließlich können sie auf einen langen Veröffentlichungskatalog zurückblicken, indem sie sich mit der Subkultur des Punk intensiv beschäftigten. Russ Bestley, der Grafikdesign am London College of Communication unterrichtet und demnach mit der bildanalytischen Arbeit bestens vertraut sein dürfte, promovierte sogar in einer Arbeit zum Thema „Punk Rock und Grafik Design in den Faraway Towns“. Und doch bleibt die Behandlung des Themas oberflächlich.

Das soll nicht heißen, man merke den Autoren die Begeisterung für den Punk nicht an. Ihre intensive Auseinandersetzung mit den von ihnen wohl auch frenetisch gefeierten unzähligen Bands und deren jeweiliger Historie wird in jedem Text spürbar und gipfelt in einer minutiös recherchierten Chronologie der Punkgeschichte. Für sich gesehen kein zu verachtender Ansatz – wäre dieser nicht schon hunderte Male durchexerziert worden.

Im Band heißt es vielsagend: „Die Geschichte des Punk ist komplexer und vielfältiger als manch einer glauben will.“ Damit stellen sich die Autoren Russ Bestley und Alex Ogg selbst ein Bein. Denn diesem Anspruch können die Briten in ihre Umsetzung nicht gerecht werden. Die Darstellung dieser Komplexität würde eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Historie, in diesem Falle vor allem mit der Kunst-und Mediengeschichte des Punk notwendig machen. Vielleicht sollte man aber auch Abstand davon gewinnen, den Autoren allzu schnell eine mangelnde und unzureichende Arbeit vorzuwerfen. Die Erwartungshaltungen divergieren für gewöhnlich. Der mit über 500 Abbildungen versehene Band bietet auf jeden Fall jede Menge Schau- und Unterhaltungswert für Neulinge in eben diesem Themenbereich an.

Dana Hubrich