Édouard Louis
Das Ende von Eddy
S. Fischer 2015
208 Seiten
18,99 €
„Das Ende von Eddy“ ist der Debutroman des jungen Franzosen Édouard Louis, der gebürtig Eddy Bellegueule heißt und um dessen Autobiografie es sich bei diesem Werk eigentlich handelt. Das Buch erzählt die tragische und schockierende Geschichte des jungen Franzosen, der in seinem Heimatort diffamiert und auf grausamste Weise misshandelt und gedemütigt wird. Es behandelt jedoch nicht nur die Homosexualität des Protagonisten bzw. Autors, sondern auch den Umgang mit den im Norden Frankreichs immer noch erstaunlich konservativen Geschlechterrollen. Eddys Leidensweg beginnt damit, dass er anders geht als die anderen Jungs im Ort, anders als seine doch so „männlichen“ Brüder, und damit, dass er eine hohe Stimme hat. All diese Äußerlichkeiten lassen ihn von klein auf zum Gespött der Leute im Ort werden, die ihn auslachen und mit seinen Eltern über ihn reden. Als er das alles mitbekommt, versucht er krampfhaft seine äußere Erscheinung zu ändern. Als wäre all das nicht schon schlimm und traumatisierend genug, so wird es noch schlimmer, als herauskommt, dass er schwul ist und zwei Klassenkameraden anfangen, ihm aufzulauern und ihn zu misshandeln. Sie treten ihm in den Bauch, bespucken ihn und zwingen ihn die Rotze abzulecken, beschimpfen ihn aufs derbste und lachen ihn aus. Und das an jedem Tag seiner Schulzeit. Diese Misshandlungen finden statt, nur weil Eddy anders liebt, anders als sie es tun wollen, von Können kann nicht die Rede sein. Zu tief sitzt der Hass auf Schwule, auf alles was nicht so ist wie sie, also wie die „echten, harten Kerle“ im Ort. Nach Jahren der Unterdrückung und der Misshandlung gelingt es ihm irgendwann aus diesem Kaff zu verschwinden, er geht auf eine weiterführende Schule in einer anderen Stadt. Er lässt sein Leben als Eddy hinter sich und beginnt ein neues Leben, sein Leben als Édouard Louis.
Soviel zu dem Roman, welcher mich zutiefst erschüttert, aber auch gleichzeitig aufgrund seiner schonungslosen Ehrlichkeit sehr berührt hat. Schockierend ist, dass selbst in den 90er Jahren und dem 21. Jahrhundert Homosexualität in Frankreich, wenn auch im Hinterland, so sehr missbilligt wird. „Das Ende von Eddy“ ist gewiss keine Coming-Out-Story, es ist auch kein Ratgeber oder etwas dergleichen, sondern ein Buch voller Gefühl über den Mut, der zu sein, der man sein will. Ich habe in letzter Zeit viel Literatur zu diesem Thema gelesen und frage mich, ob es in unserer heutigen Gesellschaft, wo Homosexualität in vielen Ländern akzeptiert oder zumindest toleriert wird, ob es dort überhaupt noch nötig ist, sich zu outen. Warum soll die Frage danach, ob jemand Homo-, Hetero-, A-, Bi-, Trans- oder sonst wie sexuell ist, im Alltag überhaupt noch eine Rolle spielen? „Das Ende von Eddy“ gibt einen schockierenden, aber höchst authentischen Einblick in die Welt der jungen Homosexuellen in Frankreich und regt zum Nachdenken darüber an, was noch getan werden muss, damit alle Menschen, egal welche Sexualität sie leben oder welchem Geschlecht sie angehöre, so leben können, wie sie es wollen.
Crimeflair
Crimeflair ist Praktikantin im Archiv und betreibt einen eigenen Blog