The future is female!

Scarlett Curtis (Hrsg.)
The future is female! Was Frauen über Feminismus denken
Goldmann, 2018
416 S.
12,00€

The future is female von

“the future is female! Was Frauen über Feminismus denken” ist die Anfang Oktober 2018 erschienene deutsche Übersetzung von “Feminists don’t wear pink (and other lies). Amazing women on what the F-word means to them“. Scarlett Curtis als Herausgeberin versammelt darin über 60 Beiträge von Autor*innen, hauptsächlich aus Großbritannien und den USA, die als Erzählungen, Erfahrungsberichte, Fiktionen, Gedichte, Ratschläge, Buch- und Playlist-Empfehlungen gelesen werden können. In der deutschen Ausgabe sind Artikel von Katrin Bauerfeind, Milena Glimbovski, Karla Paul, Fränzi Kühne, Tijen Onaran und Stefanie Lohaus hinzugenommen.

Eingeleitet wird die Sammlung von einem Beitrag der Mädchenrechtsorganisation „Girl up“ sowie einem Vorwort von Scarlett Curtis, in welchem sie ihren eigenen Weg zur Feministin beschreibt. Sie benennt dabei zwei wichtige Punkte, die sich in der Buchgestaltung wiederfinden: Zum Einen die Erkenntnis, wie viele unzutreffende Vorstellungen es bezüglich des Feminismus generell und des Handelns von Feminist*innen konkret gibt. In der englischsprachigen Originalausgabe entsteht hier der Bezug zum Titel – „feminists don‘t wear pink (and other lies)“. Zum Zweiten benennt Curtis die Relevanz literarischer Zugänge, um den eigenen Vorstellungshorizont zu erweitern, und stellt die Intention des vorliegenden Sammelbandes vor als „ein Buch über Gefühle die zu Gedanken werden die zu Taten werden.” So sind die im Buch gesammelten Essays in fünf Abschnitte unterteilt, die Curtis als „die fünf Stadien des Feminismus“ auffasst – Erleuchtung, Zorn, Freude, Aktion und Bildung.

Stadium 1 „Erleuchtung“

„Erleuchtung“ sammelt Erzählungen, wie die Autor*innen zur Auseinandersetzung und Identifikation mit Feminismus kamen und was „the F-word“ für sie persönlich bedeutet. Liv Little schreibt über die Vielfältigkeit von Vulven, Paranoia in Bezug auf den eigenen Körper und die Relevanz von angemessener Sprache. Charlie Craggs beschreibt ihre Chronologie des Aufwachsens als Trans*frau. Lolly Adefope beschreibt ein alptraumhaftes Quizshowszenario, das in der Unmöglichkeit gipfelt, die eigene Identität als a) Schwarz oder b) Frau  beschreiben zu sollen – Zuschreibung durch Publikumsjoker inklusive. Helen Fieding lässt unter dem Titel „Bridget Jones – Feminismus zum Frühstück“ ihre Romanfigur in den alten Tagebüchern von 1996 blättern und rückt Erlebnisse von damals in einen aktuellen Kontext.

Stadium 2 „Zorn“

Im  Kapitel „Zorn“ beschreibt Angela Lee, wie sie als Heranwachsende beim Wort „Feministin“ immer an „weiße Frauen ohne BH“ denken musste, „die demonstrierten und Forderungen stellten, die [ihr] fremd waren.“ Milena Glimbovksi thematisiert den Gedankengang, ob wir den Feminismus noch bräuchten, weil für Frauen doch eigentlich längst alle Hindernisse überwunden wären. Sie beantwortet die Frage mit einem Zitat aus einem Gespräch, dass sie mit Sookee geführt hat und nennt es den „Satz, der alles veränderte“: „Nur weil es dich nicht betrifft, heißt es nicht, dass es nicht stattfindet.“ Diese kritischen Gedankengänge fehlen bei anderen Beiträgen manchmal, wenn die Autor*innen von anscheinend längst überholten feministischen Kämpfen schreiben, ohne zu reflektieren, dass das für sie selbst in ihrer spezifischen zeitlichen, räumlichen und sozialen Positionierung gelten mag, aber kein generalisierter Zustand ist.

Stadium 3 „Freude“

Das Kapitel „Freude“ versammelt neben einem Artikel von Scarlett Curtis zu passenden  Erwiderungen auf Fragen wie, was denn Feminismus überhaupt sei und wozu man ihn heute noch bräuchte, eine Playlistempfehlung von Akilah Hughes sowie ein Interview von Jodie Whittaker mit ihrer Mutter. Im  Einschub „Poesie“ finden sich Gedichte und kurze Geschichten.

Stadium 4 „Aktion“

Im Kapitel „Aktion“ betont Alicia Garza mit Bezug auf die Feminismus-Definition von Marie Shear aus 1986 – „feminism is the radical notion that women are people“ –  dass es nicht reicht, „daran zu glauben, dass Frauen Menschen sind, wenn unser Handeln […] auf etwas anderes hindeutet“, und spricht damit gewaltvolle, ungerechte Verhältnisse an, wie sie aktuell in den USA existieren. Gemma Arterton entwirft ein alternatives Szenario für ihre Rolle der Strawberry Fields, die, anders als im Film von 2008, James Bond mit Hinweis auf sein chauvinistisches Verhalten einen Korb gibt. Beanie Feldstein betont die  Bereicherung, sich Geschichten anderer Frauen anzuhören, „um die beste Feministin zu sein, die ich sein kann“. Nimco Ali als FGM-Betroffene schreibt über die Auseinandersetzung darüber, ihre Mutter heute als feministisches Vorbild anerkennen zu können. Amika George macht sich in ihrem Beitrag daran, das Thema der Menstruation zu enttabuisieren, und Dolly Alderton leitet mit einer  treffend verfassten To-Do-Liste zur Demontage und Zerstörung verinnerlichter Misogynie an.

Stadium 5 „Bildung“

Im Kapitel  „Bildung“ macht Herstory UK-Gründerin Alice Wroe auf die Notwendigkeit der Sichtbarmachung marginalisierter Positionen in der Geschichtsschreibung und -vermittlung aufmerksam und stellt fünf historische, selbstorganisierte Zusammenhänge vor, in denen Frauen gekämpft und Gesellschaft verändert haben. Claire Horn gibt in ihrem Beitrag eine Übersicht zur Geschichte des Feminismus in Großbritannien, und Emma Watson versammelt in ihrem Beitrag feministische Buchempfehlungen des von ihr initiierten online-Buchclubs „our shared self“. Zum Abschluss verweist Curtis auf die Intention des Buches, den*die Leser*in zum feministischen Denken und Handeln ermutigt haben zu wollen, und verweist auf die abschließenden leeren Seiten mit Platz für eigene Geschichten.

Fazit

Insgesamt fällt auf, dass das Bild von „dem“ Feminismus, wie es viele Autor*innen zeichnen, ein zunächst negativ konnotiertes ist bzw. war, bis sie durch eigene Zugänge für sich entdeckten, dass das negative Bild wenig mit dem zu tun hat, wie Feminismen heute tatsächlich gelebt werden. Das wird auch in der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Beiträge sehr deutlich – von berührend, empowernd, sensibilisierend und wütend bis hin zu humorvoll und praktisch.

Im Großen und Ganzen liest sich “the future is female!” unter der formulierten Intention, durch das Erzählen von verschiedenen Perspektiven und einer positiven Besetzung des Begriffes, gerade für junge Frauen* Zugänge zum Feminismus schaffen zu wollen, sehr stimmig. Ausgesprochen problematisch ist jedoch die Form der deutschen Übersetzung. Der Begriff “Woman of Color” wird mehrfach als “farbige Frau” übersetzt, und die Verwendung des kolonialgeschichtlich-rassistisch geprägten Begriffs verunmöglicht es, das Buch uneingeschränkt weiterzuempfehlen.

Jana Sämann 

(Praktikantin von August bis Oktober 2018 beim Bildungsprojekt „Diversity Box“ zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, http://www.diversitybox.jugendkulturen.de)