35 Jahre SPEX

35 Jahre SPEX – Dichter, Denker, Dissdenten
Juli / August 2015
130 Seiten
6,90 €

www.spex.de

Spex_362_Cover_180erDie SPEX wird 35 Jahre („älter als Jesus“, wie es auf dem Heftrücken heißt) und aus diesem Anlass gibt es natürlich mal wieder eine Sonderausgabe, dicker als sonst und mit einem Nachdruck der ersten SPEX von 1980 sowie zwei CDs mit Musik aus den letzten 35 Jahren als Beilagen. Auch wenn die SPEX manchmal nerven oder langweilen kann – besonders wenn mal wieder Tocotronic auf dem Cover sind – freuen wir uns immer wieder, wenn eine neue Ausgabe im Briefkasten liegt, irgendetwas interessantes steht eigentlich immer drin und auch diese Ausgabe ist ziemlich lesenswert. Vor allem die Artikel, die aus Anlass des Jubiläums von aktuellen und früheren SPEX-Autor_innen geschrieben wurden, thematisieren vieles, was uns auch gerade beschäftigt – von der gesellschaftlichen Relevanz der Popmusik und Popkritik in der heutigen Zeit (von Mark Terkessidis), der Ästhetik von politischem Pop in Anbetracht aktueller Notlagen (Tom Holert), der Zukunft von Clubs und Clubmusik (Hans Nieswandt), Sexismus im deutschen Indierock (Sandra Grether) bis zu einem Rückblick auf den Westberliner Untergrund und die „Genialen Dilletanten“ (Wolfgang Müller). Ansonsten gibt’s noch K.I.Z, Daniel Richter, Holly Johnson, PC Music und so weiter.

Alle bis heute erschienen SPEX-Ausgaben finden sich übrigens bei uns im Archiv, genauso wie fast alle Ausgaben der (grob gesagt) Vorgängerzeitschrift SOUNDS – wer also mal nachlesen möchte, was vor 10, 20 oder 30 Jahren nach Meinung der SPEX relevant war, kann gerne mal bei uns vorbeikommen und recherchieren.

Grauzonen

Agentur für soziale Perspektiven (Hrsg.)
Grauzonen – Rechte jugendliche Lebenswelten in Musikkulturen
ASP 2015
48 Seiten
2,50 € (Schutzgebühr)

grauzonenDie kleine Broschüre zum Bereich der „rechten jugendlichen Lebenswelten“ ist eine gute Handreichung, wenn es darum geht, problematische Einstellungen in Jugendkulturen jenseits der rechtsextremen Szenen zu erkennen und einzuordnen. An erster Stelle geht es hier um die Band Frei.Wild, die vor kurzem mit ihrem aktuellen Album auf Platz Eins in die deutschen Albumcharts eingestiegen sind. Aber auch andere Deutschrockbands sowie die Rapper Bushido und Fler werden thematisiert und Songtexte und Aussagen analysiert. Es geht als um kein Randphänomen wie Rechtsrock, sondern um Acts aus dem popmusikalischen Mainstream.

Vor allem das Kapitel über die „zentralen Bezugspunkte“ ist lesenswert, da hier verschiedenen Aspekte, die auf eine rechte Einstellung hinweisen können, genannt und aufgeschlüsselt werden. An erster Stelle werden hier unter der Überschrift „Das soll nicht rassistisch klingen, aber …“ wenig überraschend „Ungleichheitsideologien“ – also rassistische, sexistische, chauvinistische Einstellungen und ähnliches – genannt. Danach finden sich aber eine Reihe an Punkten, die teilweise harmlos erscheinen mögen, aber häufig im Zusammenhang mit rechten Einstellungen zu finden sind – und nicht nur bei einer Bewegung wie PEGIDA, sondern auch bei Frei.Wild allesamt nachweisbar sind. Dazu gehören Größen- und Verfolgungswahn inklusive der Selbststilisierung als Opfer, Heimatbezogenheit mit völkischen Elementen, Naturalisierung des Sozialen und Anti-Intellektualismus, ein reaktionäres Bild von Männlichkeit, Betonung des Wertes von „Ehre“, ein rebellisches Selbstbild, Ruf nach Meinungsfreiheit und Einordnung von Kritik als „Zensur“ sowie ein sehr eingeschränkter Politikbegriff inklusive eines oftmals „unpolitischen“ Selbstverständnisses.

So wird durch diese Broschüre deutlich, dass auch Gruppen, die sich gegen „Rassismus und Extremismus“ aussprechen und sich klar von der Neonaziszene abgrenzen, noch lange nicht zu denjenigen gehören müssen, die tatsächlich etwas gegen Diskriminierungen und Ungleichheit tun und hier reaktionäre Einstellungen transportiert werden, die alles andere als harmlos sind.

Daniel Schneider

Alltag Einheit

10caf999a0Ein Ausstellungstipp für (mal wieder) alle aus Berlin bzw. alle Leute, die im Laufe des Jahres Berlin besuchen: Alltag Einheit – Porträt einer Übergangsgesellschaft im Deutschen Historischen Museum.

In der Ausstellung wird die Zeit nach dem Fall der Mauer beleuchtet, mit Schwerpunkt auf den Osten Deutschlands, da hier die Veränderungen am stärksten waren. Es geht dabei – wie der Titel schon sagt – vor allem um die Veränderungen des Alltags der Menschen, darum, wie sich beispielsweise die Arbeitswelt oder die kulturelle Landschaft wandelten. Die Ausstellung thematisiert dabei auch manche Schattenseiten der Zeit nach 1990, was am deutlichsten an der Stelle wird, wo der Jubel über die gewonnene Fußballweltmeisterschaft von 1990 direkt den rassistischen Pogromen und Brandanschlägen in u. a. Mölln und Rostock-Lichtenhagen (1992) gegenübergestellt wird. Dass es hier einen direkten Zusammenhang geben könnte wird zwar nicht angesprochen, aber dadurch dass das Trikot der deutschen Nationalmannschaft auf beiden Seiten zu sehen ist, wird diese Sichtweise zumindest nahegelegt.

Auch Materialien aus dem Bestand des Archivs der Jugendkulturen werden gezeigt, u. a. Flyer und Plakate aus der Anfangsphase der Berliner Technoszene und der Loveparade. Die Materialien stammen alle aus dem sich im AdJ befindenden Nachlass des 2011 verstorbenen Ralf Regitz, dem ehemaligen Geschäftsführer der Planetcom.

Ein weiteres Thema sind Hausbesetzungen, u. a. wird an einem Computerterminal die von Mitarbeiter_innen des Archivs mitentwickelte Webseite Berlin Besetzt mit interaktivem Stadtplan und digitalem Archiv zu besetzten Häusern in Berlin und Potsdam gezeigt.

Alltag Einheit (bis 3. Januar 2016)
Deutsches Historisches Museum
Unter den Linden 2
10117 Berlin
Öffnungszeiten: täglich 10 – 18h
Eintritt (für das gesamte Museum): 8 €, ermäßigt 4 €,
bis 18 Jahre frei