Fairplay statt Hass

Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.)
Fairplay statt Hass –  Was wir gegen Menschenverachtung und rechtsextreme Ideologien im Fußball machen können
Amadeu Antonio Stiftung 2015
44 Seiten
kostenlos

Broschüre FußballAmadeu Antonio war eines der ersten Opfer rechtsextremer Gewalt im wiedervereinigten Deutschland. Die nach ihm benannte Stiftung wurde 1998 ins Leben gerufen und unterstützt Projekte und Initiativen, die sich gegen rechte Alltagskultur, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung einsetzen. Da in diesem Kontext Fußballfans immer noch eine große Rolle spielen, hat die Stiftung unter dem Namen Fairplay statt Hass eine kostenfreie Broschüre veröffentlicht, die einen Bericht über die gegenwärtige Lage von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Homophobie, Sexismus und menschenverachtendem Verhalten im deutschen und internationalen Fußball gibt. Neben dem eher allgemein gehaltenen Abschnitt über den Status quo von rechten Ideologien im Fußball inklusive derer Geschichte und aktuellen Phänomenen wie Hooligans gegen Salafisten werden auch gegenseitige Projekte behandelt. Besonders die Situation von weiblichen Ultras wird durch die Vorstellung der Ultragruppe Frauen*Mädchen*Trans*Babelsberg und dem Bericht eines weiblichen Mitglieds der antifaschistischen Bremer Ultraszene sehr informativ und differenziert dargestellt. Auch die Kapitel zu den Initiativen Show Racism the Red Card, Fußballfans gegen Antisemitismus, Fußballfans gegen Homophobie, Discover Football, und dem Geflüchteten-Verein Welcome United 03 in Babelsberg geben einen guten Überblick und machen Hoffnung, dass sich antirassistische und antidiskriminierende Projekte im Fußball weiter durchsetzen. Einzig die Rolle der Deutschen Fußball Liga (DFL), die neben dem Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur als Finanzier der Broschüre auftritt, wird ebenso wie der DFB eher unkritisch behandelt. Dass auf Anweisung des DFB sowohl in Hamburg („Kein Fußball den Faschisten“) als auch in Hannover („96-Fans gegen Rassismus“) im vergangenen Jahr bei Länderspielen offenbar unpassende Transparente überklebt wurden, findet nämlich an keiner Stelle Erwähnung. Ein Zufall? Wie dem auch sei, die überwiegend gut recherchierte und vielseitige Broschüre ist als Einstieg in das Thema zu empfehlen. Sie kann kostenlos unter info@amadeu-antonio-stiftung.de bestellt oder hier heruntergeladen werden.

Florian Hofbauer

Deutschpop halt’s Maul!

Frank Apunkt Schneider
Deutschpop halt’s Maul! – Für eine Ästhetik der Verkrampfung
Ventil Verlag 2015
112 Seiten
10 €

deutschland_maul_layDass es deutschsprachigen Pop gibt, ist heute nichts mehr, was irgendjemanden wirklich überraschen würde – im Gegenteil, Bands wie Wir sind Helden, Juli, Kettcar, Revolverheld, Mia., Sportfreunde Stiller, Silbermond und so weiter sind fester Bestandteil der deutschen Musiklandschaft. Irgendwie ja auch logisch, dass in Deutschland deutschsprachige Popmusik gemacht und gehört wird – aber dann doch nicht ganz so selbstverständlich, wie es heutzutage erscheint. Denn „deutschsprachige Popmusik war lange Zeit undenkbar“, wie es im Klappentext von Frank Apunkt Schneiders Deutschpop halt’s Maul! heißt. Pop war, als er in den 1950er Jahren seinen Weg nach Deutschland (oder besser gesagt: Westdeutschland) fand, eine Befreiung von der bedrückenden deutschen Geschichte und Fluchtmöglichkeit vor der miefigen deutschen Kultur der damaligen Zeit. Er war aufregend und neu, eine Provokation gegenüber der Elterngeneration und dank seiner konnten neue, nicht-nationale Identitätskonzepte entworfen werden. Denn Pop war explizit nicht deutsch, sondern englisch. Auch deutsche Bands sangen auf Englisch, selbst wenn sie nicht so genau wussten, was sie da sangen – aber das war egal, denn es ging ja nicht um einen festen Sinn, sondern um Freiheit. Und wenn deutsche Künstler_innen dann doch auf deutsch sangen, war das oftmals kein Pop, sondern Schlager – eine Unterscheidung, die dem Autoren des Buches wichtig ist, denn die deutsche Sprache führte dazu, dass das befreiende Fremde (und eine positiv gedeutete Entfremdung) des englischen Pops in diesen Liedern wieder verschwand.

Das Buch ist – und das sagt der Autor auch gleich zu Beginn – vor allem eine polemische, antideutsche Gegengeschichte des Deutschpop, die „ebenso konstruiert ist wie die offizielle.“ Mit der offiziellen Geschichtsschreibung ist das gemeint, was heute oftmals in Bezug auf z. B. Krautrock, deutschem Postpunk oder Techno geschrieben wird oder auch in Ausstellungen zu diesem Thema behandelt wird. Da werden dann Kraftwerk zu den „Urvätern von Techno, House und Hip Hop“ (und Deutschland wird ein unverzichtbarer Teil der internationalen Popgeschichte), die Neue Deutsche Welle zur eigenständigen deutschen Jugendkultur oder Techno zum Sound der Wiedervereinigung – es findet eine Art Renationalisierung von Musiken statt, die gar nicht unbedingt deutsch sein wollten oder sogar eine Flucht vor diesem Deutschsein darstellten.

Der heutige Deutschpop, der kein Problem mehr mit dem Deutschen hat und „mit sich selbst einverstanden ist“, ist erst nach 1989 entstanden und Teil einer Bewegung hin zu einem entspannten, unverkrampften Deutschsein. Das ist dann aber laut Schneider kein Pop mehr, zumindest nicht im eigentlichen Sinne, da Pop keine nationale Identität hat. Gemeint ist mit Deutschpop allerdings nicht der deutschsprachige Diskurspop von Bands wie Tocotronic oder Blumfeld (zumindest nicht den frühen Blumfeld), sondern das, was danach kam – und an dem eine Band wie Tocotronic verhängnisvollerweise mit Schuld sein sollen, da sie ein Vorbild vieler der o. g. Deutschpopbands sind. Diese sind harmlos und stellen nichts in Frage – und ein positiver Bezug zur deutschen Heimat ist für sie oftmals kein Problem mehr. Auch gehört die Sprechweise von einem „Wir“ zum festen Repertoire vieler Deutschpopbands, was von Schneider im Sinne von „wir Deutschen“ verstanden wird und oft auch so gemeint ist. Schneider sieht deshalb eine Verbindung zu einer DeutschROCKband wie Frei.wild, die seiner Meinung ganz ähnliche Inhalte transportiert wie die DeutschPOPbands, im Gegensatz zu diesen aber als eindeutig eklig erkennbar ist (Schneider nennt Frei.Wilds Musik „strukturellen Rechtsrock“). Deshalb gibt diese Band ein wunderbares Feindbild ab, von dem sich die anderen Bands dann distanzieren und sich als die „Guten“ fühlen können.

Frank Apunkt Schneider zu folgen fällt manchmal schwer, da er ein umfangreiches Vorwissen über die behandelten Bands und Künstler_innen voraussetzt und man als Leser_in ganz viel Musik – also auch ganz viel schlechte und langweilige Musik – gehört haben muss, um zu wissen, worum es an manchen Stellen eigentlich geht – zum Beispiel scheint Tangerine Dream im Gegensatz zu anderen Krautrock-Bands irgendwie doof zu sein, warum bleibt aber unklar. Deutschpop halt’s Maul! ist insgesamt aber ein unterhaltsames und immer wieder wunderbar böses Buch, dass ein Gegengift gegen Wohlfühlpatriotismus und Vereinnahmung von Popmusik in irgendwie nationalem Sinne darstellt. Das ist nämlich, ganz platt ausgedrückt und abgesehen von irgendwelchen anderen relevanten Argumenten: uncool, einfach nicht schön, total langweilig. Und Popmusik, die damit kein Problem hat, ist – auch das ein Fazit des Buches – dann einfach keine gute Popmusik.

Daniel Schneider

Clubkultour Berlin

Clubkultour-BerlinEine Projektgruppe der Berliner Clubcommission bietet ab diesem Monat eine Stadtführung zur Technoszene und Clubkultur ab 1990 an. Wir waren letzte Woche bei der Pressetour dabei und haben uns von Eberhard Elfert, dem Sprecher der Gruppe, zeigen lassen, wie nach dem Mauerfall Räume angeeignet wurden, um Clubs für Liebhaber*innen elektronischer Musik zu eröffnen. Wie man bei der Tour, die entlang des ehemaligen Mauerstreifens vom Potsdamer Platz bis zur Arena am Ufer der Spree führt, gut nachvollziehen kann, ist Clubkultur in Berlin stark von Wanderungsbewegungen geprägt, da die Clubs in Temporären Autonomen Zonen entstanden sind, die sie im Laufe der Zeit verlassen mussten, um weiterzumachen zu können. So geschehen zum Beispiel im Fall der Maria am Ostbahnhof, dem WMF, dem Tresor oder dem Ostgut (heute Berghain).

Für die Clubs war in der Anfangszeit die Hausbesetzerszene nicht unwichtig. Das Wissen und die Erfahrung in Bezug auf Strategien der Aneignung als auch über die Inbetriebnahme verlassener Orte spielte eine wichtige Rolle. Die neuen Orte des Nachtlebens befanden sich überwiegend entlang des ehemaligen Mauerstreifens, weil dort leerstehende Gebäude und ungenutzte Flächen aus Zeiten der DDR (z. B. das 2000 abgerissene Ahornblatt in der Gertraudenstraße), Gebäude der Grenzinfrastruktur an der Spree (z. B. ein Bootshaus  für Patrouillenboote, in dem sich der Club Kiki Blofeld befand) und Gebäude und Ruinen im Bereich des ehemaligen Todesstreifens (z. B. der Tresorraum des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses in der Leipzigerstraße) besetzt bzw. zwischengenutzt werden konnten.

Die Tour hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur über die Geschichte der Berliner Clubkultur zu informieren, sondern sie auch in den Kontext der Berliner Stadtgeschichte einzubinden und die Hintergründe der Orte zu beleuchten. Es wird diesbezüglich beispielsweise kritisch hinterfragt, warum im Bereich der Schillingbrücke (Nähe Ostbahnhof), wo sich Clubs wie u. a. die Maria befanden und heute das Yaam zu Hause ist, bis heute keine Hinweise auf die häufig tödlich geendeten Fluchtversuche zu finden sind. Andererseits steht auch der Wandel der Stadt seit den 1990er Jahren im Fokus der Tour, also Gentrifizierung und Verdrängung genauso wie die Institutionalisierung und Professionalisierung ehemals improvisierter Orte zu anerkannten Kultureinrichtungen. Das dieser Wandel allerdings noch nicht alle Freiräume zum Verschwinden gebracht hat, zeigt das Kultur- und Nachbarschaftsprojekt Teepeeland an der Spree, durch das die Tour ebenfalls führt.

Elfert macht auf der Tour deutlich, dass bestimmte Faktoren oder spezifische Wandlungsprozesse wie die Entwicklung vom Analogen zum Digitalen, die Anknüpfung an die Subkulturen West-Berlins als auch die Wanderungsbewegungen innerhalb der Szene eine wichtige Rolle auch bei der Betrachtung und Verortung der Clubs spielt. Auch wenn es noch Widerstand gegen eine Historisierung von Clubkultur von Seiten der Technoszene selbst gibt, ist diese mittlerweile massiv in Gang gesetzt worden, nicht zuletzt aufgrund des 25-jährigen Jubiläums des Mauerfalls. Hier ist ein Angebot wie die „Clubkultour“ eine so naheliegendes wie wichtiges Angebot, gerade wenn es nicht alleine um eine oberflächliche Betrachtung oder gar Verklärung der Berliner Clubszene geht.

Die Tour setzt allerdings, zumindest in der Form, wie wir sie erfahren haben, viel Wissen über die Berliner Szene voraus. Auch wenn Elfert zu vermeiden versucht, über die effektvollen Inszenierungen der Geschichte an Jahrestagen zu sprechen oder die Geschichten einzelner Protagonist*innen der Szenen zu erzählen, so wäre dies an manchen Stellen vielleicht doch sinnvoll. Für weniger involvierte Personen können sie Bezugspunkte darstellen, um einen Zugang zur spannenden Geschichte Berlins zwischen Todesstreifen und Technopartys zu erleichtern.

Die erste Tour findet am kommenden Samstag, dem 05.09. statt, weitere Termine für dieses Jahr sind 19.09., 03.10. und 17.10. Die Tour startet jeweils um 14:00h Ecke Wilhelmstr./Leipziger Straße. Die Tour findet per Fahrrad statt (bitte mitbringen). Kosten: 13 bzw. ermäßigt 11€. www.clubkultour.de

Tanja Ehmann & Daniel Schneider