Lucius Teidelbaum
Braunzone Bundeswehr – Rechtsum in der Männertruppe
Unrast 2012
84 Seiten
7,80 €
In den 1980er Jahren waren die Kategorien einfach und klar – die coolen, intelligenten und guten Jungs machten Zivildienst, und zur Bundeswehr ging nur, wer rechts oder dumm war, oder rechts und dumm, was aus der Sicht subkultureller Verweigerer, die allein schon wegen der Frisur nicht zur Armee wollten, meist zusammenfiel.
Somit schien es fast selbstverständlich, die Bundeswehr als durch und durch rechts bis nazibraun einzuschätzen, und selbst heute, ohne Wehrpflicht und mit ein paar Alibi-Frauen in der Truppe, erscheint das Argument, die Bundeswehr sei „ein Spiegel der Gesellschaft“ – lediglich mit gelegentlichen rechten Ausfällen am Rande – schon fast absurd, da Linke, Pazifisten und Frauen ebenso wie Kinder, Jugendliche und ältere Menschen hier offenbar nicht zur Gesellschaft gerechnet werden.
Lucius Teidelbaum zeigt im vorliegenden Band, dass die vereinzelt scheinenden braunen Skandale in der Bundeswehr lediglich die Spitze des Eisbergs sind. Differenziert verweist er auf konkrete personelle Kontinuitäten und rechte Namenspatenschaften ebenso wie auf die Fortführung von Elitegedanken und militärischen Männlichkeitsidealen („archaische Krieger“ oder auch „Stahlgestalten“), die denen der extremen Rechten entsprechen.
Dabei kommen Machenschaften ans Licht, deren Anzahl, Ausmaß und Deutlichkeit bei Weitem alles übertrifft, was die gängigen Vorbehalte gegenüber der Bundeswehr bisher gestützt hatte. Um nur ein Beispiel zu nennen, sei hier zitiert, was Teidelbaum zum 20. Mai 1941, dem Datum der Landung von deutschen Fallschirmjägern auf Kreta schreibt: „Bis heute gibt es Feiern zum 20. Mai, dem Jahrestag der Besetzung Kretas, in Fallschirmjäger-Kasernen. Dabei wird auch das Fallschirmjäger-Lied Hinter den Bergen gesungen, in dem es u. a. heißt: ‚Narvik, Rotterdam, Korinth / Und das heiße Kreta sind / Stätten unserer Siege! / Ja, wir greifen immer an, / Fallschirmjäger gehen ran, / Sind bereit, zu wagen!’“
In seiner kritische Auseinandersetzung befasst sich der Autor sowohl mit den internen Zuständen innerhalb der Bundeswehr, in der ritualisierte Rekrutenmisshandlungen, Sexismus und Homophobie auf der Agenda stehen, als auch mit Fehlverhalten nach außen hin, das bei Auslandseinsätzen zutage tritt. Aufgezeigt werden zudem kontinuierliche Zusammenhänge und Überschneidungen mit schlagenden Verbindungen – insbesondere rechten Burschenschaften – und auf den höheren Offiziersebenen mit der „Neuen Rechten“. Wenngleich offen auftretende Neonazis in der Bundeswehr nicht geduldet werden, so tummeln sich in der extremen Rechten doch auffallend viele – auch hochrangige – ehemalige Militärs, die sich mit ihrer Gesinnung während der Militärzeit lieber bedeckt hielten. Beispielsweise waren sowohl der langjährige NPD-Vorsitzende Udo Voigt als auch Neonazi-Kader Michael Kühnen als Berufssoldat bzw. Leutnant mehrere Jahre bei der Bundeswehr.
Als Fazit bleibt, dass die Bundeswehr sich nie ganz von der Wehrmacht als Vorgänger-Armee gelöst hat. Auch wenn die Blindheit auf dem rechten Auge inzwischen nicht mehr ganz so vollständig ist, so bestehen die männerbündischen rechten und rechtsextremen Traditionen trotz aller Bemühungen um einen Imagewechsel weiter. Da die Kampfausbildung nach wie vor Neonazis anzieht, die gezielt den Umgang mit Waffen und Sprengstoff erlernen wollen und die in nichtmilitärischen Berufsbereichen kaum Fuß fassen wollen oder können, wird sich wohl an der „Braunzone Bundeswehr“ auch in Zukunft nicht allzu viel ändern.
Teidelbaum muss für seine umfangreiche Material- und Beispielsammlung aufwendige Recherchen betrieben haben, zumal die Quellenlage, wie er selbst sagt, dürftig ist. In neun Kapitel unterteilt, liest sich der kleine Band kompakt und informativ. Der Text sensibilisiert für die Wahrnehmung und Hinterfragung gut abgeschotteter und scheinbar unangreifbarer Institutionen und ist auch für Leser_innen geeignet, die noch nicht über vertieftes Spezialwissen in diesem Themenbereich verfügen.
Gabriele Vogel