Zine of the Day: I’m Johnny and I don’t give a fuck #4 (Kanada)

Der Juli ist wie immer International Zine Month (IZM). Aus diesem Anlass stellen wir euch wieder, wie in den letzten Jahren, einige aus unserer Sicht interessante Zines aus der Sammlung des Archivs der Jugendkulturen als „Zine of the Day“ vor…

Ist das noch ein Zine oder schon ein Buch? Ganze 220 Seiten umfasst diese aus Vancouver (Kanada) stammende 4. Ausgabe von I’m Johnny and I don’t give a fuck, die 1999 von Andy Healey herausgegeben wurde, der seinerzeit auch Bassist der Hardcore-Band Submission Hold war. Die Musikformation bestand von 1993 bis 2005 und tourte in dieser Zeit auch einmal durch Europa. Auf dieser Tour habe ich sie dann in irgendeinem AZ in irgendeiner Stadt auch mal selbst live gesehen. Bei diesem Konzert blieb mir vor allem mir die Sängerin von Submission Hold, Jen Thorpe, nachhaltig in Erinnerung – hochschwanger und mit dickem Bauch lieferte sie eine Performance ab, die an Kraft und Energie kaum zu überbieten war.

Ich weiß gar nicht mehr, ob ich mir I’m Johnny and I don’t give a fuck #4 damals auf diesem Konzert kaufte oder ob ich das Zine schon vorher in meinem damaligen Zine Distro vertrieb. Jedenfalls habe ich damals Unmengen dieses Heftes über meinen Fanzine-Mailorder verkauft – und das vollkommen zurecht! Denn dieses Zine stellte zum Zeitpunkt seines Erscheinens eine absolute Ausnahmeerscheinung in der internationalen Zine-Landschaft dar und ist es bis heute auch geblieben. Und mit dieser Ansicht stehe ich nicht allein. Das kanadische Magazin Broken Pencil bezeichnete Andys Heft sogar als

„one of the great Canadian zine of all time“.

Im Johnny And I Dont Give A Fuck #4

I’m Johnny and I don’t give a fuck #4 (Cover)

Andy verkaufte sein Zine (fast) ausschließlich auf den Konzerten von Submission Hold und war damit so erfolgreich, dass er nach der ersten Auflage von 1.000 Stück weitere 600 Exemplare nachdruckte. Solche erstaunlich hohen Verkaufszahlen für ein Zine sind bis heute eher eine Seltenheit – vor allem bei solchen Zines wie I’m Johnny and I don’t give, die die Genre-Grenzen klassischer Fanzines sprengen.

Von seiner Aufmachung ist I’m Johnny and I don’t give a fuck #4 eher unscheinbar daher. Das gesamte Heft besteht aus einem handschriftlich verfassten Text, der in mehrere Kapitel gegliedert ist. Zeichnungen finden sich nur äußerst spärlich auf dem Cover und an den Kapitel-Anfängen. Die Geschichte startet zunächst mit einer Erzählung aus der Ich-Perspektive über eine kanadischen Punk/Hardcore-Band, die sich mitten im Winter mit einem vollkommen runtergerockten Kleinbus auf Tour begeben habt – dabei werden so ziemlich alle nur möglichen Stories voller Pleiten, Pech und Pannen, die man von eben solchen reisenden Musikgruppen kennt, in höchst amüsanter und ironischer Weise detailliert ausgebreitet. Das erweckt zunächst den Eindruck, als handele es sich bei I’m Johnny and I don’t give a fuck #4 um das Perzine eines Band-Mitglieds von Submission Hold. Doch schon bald bekommt die Geschichte einen vollkommen anderen Spin. Eines der Bandmitglieder liest während der Fahrten im Tour-Van einen Roman über einen Fahrradkurier namens Henry O’Melin, der seit einer Kopfverletzung nicht mehr anders kann, als immer genau das sofort auszusprechen, was ihm gerade durch den Kopf geht – und was ihm natürlich im Zusammenleben mit den Menschen immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Beide Erzählstränge laufen zunächst parallel nebeneinander her, bis schließlich der real existierende Bassist der Band namens Andy tatsächlich auf die fiktive Person Henry trifft und das Drama seinen Lauf nimmt – in einer derart unterhaltsam absurden Weise, wie man es kaum erwarten würde. Spätestens an dieser Stelle des Zines wird klar: Das hier ist mehr als ein bloßes Perzine, aber auch mehr als eine reines Literatur-Zine. Hier verschränken sich fiction und non-fiction auf derart kurzweilige Art und Weise, dass man die 220 Seiten in einem Rutsch durchlesen mag.

Im Johnny And I Dont Give A Fuck #5

I’m Johnny and I don’t give a fuck #5 (Cover)

Leider erschien nach dieser herausragenden 4. Ausgabe mit I’m Johnny and I don’t give a fuck #5 einige Jahre später auch schon die letzte Ausgabe dieses Ausnahme-Zines von Andy Healey. Auch diese ist absolut empfehlenswert und greift den Grund-Plot mit Submission Hold wieder auf. Nur spielt die Geschichte diesmal vor allem in einem heruntergekommenen Punk-House in Vancouver. 2005 löste sich Submission Hold auf und Andy scheint seitdem auch kein weiteres Zine veröffentlicht zu haben, was ich sehr bedauere.

Immerhin erschien vor einigen Jahren unter dem Titel I’m Johnny and I don’t give a fuck noch ein Comic des französischen Zeichners Colonel Moutarde, der auf weiteren Geschichten von Andy Healey basiert. Das Heft gibt es als PDF hier zum Herunterladen.

Und wer sich die Original-Ausgaben von I’m Johnny and I don’t give a fuck #4 und #5 ansehen möchte, der kann dies im Archiv der Jugendkulturen tun. Nachdrucke der alten Ausgaben wird es laut Andy nicht geben, da sein Hund irgendwann mal alle Druckvorlagen zerfetzt hat.

Christian

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#IZM2018 #Zines #Fanzines #Zineoftheday #Hardcore #Punk #DIY #Fiction #Non-Fiction

Zine of the Day: Abgang #1 (Deutschland)

Der Juli ist wieder International Zine Month (IZM). Aus diesem Anlass stellen wir euch auch 2017 wieder einige aus unserer Sicht interessante Fanzines aus der Sammlung des Archivs der Jugendkulturen als „Zine of the Day“ vor…

Im Rahmen unseres aktuellen Digitalisierungsprojektes UnBoxing haben wir uns mit Zines aus unserer Sammlung beschäftigt, die in Hinblick auf ihre Haptik und Materialität auffällig sind. Ein Zine, das bei mir einen besonders starken Eindruck hinterließ, ist ein Exemplar von Abgang #1, einem Heft, das sich um diverse Abgründe der menschlichen Existenz dreht – u. a. um Depressionen, Suizid, Drogensucht, Essstörungen, Leid, Schmerz, Zerrissenheit und Hass auf die Gesellschaft.

Der Inhalt ist also schon recht anstrengend und belastend, die Leseerfahrung wird aber durch die Materialität des Zines noch verstärkt, so stark, dass ich beim Lesen zunehmend Bauchschmerzen bekam. Das Zine ist an sich „nur“ ein düsteres s/w-Heft im A5-Format, allerdings hat diese Ausgabe einen Umschlag aus einem schweren, geölten und leicht rauchig riechenden Stoff. Wo dieser Stoff herkommt, ist nicht ganz klar. Er könnte aus einem militärischen Kontext stammen, vielleicht von einem Rucksack oder einem Zelt stammen.

Wenn man nun dieses Zine in den Händen hat, bekommt man beim Lesen zunehmend ölige, dreckige Finger und der Geruch des Stoffes steigt in die Nase – das Lesen hat also eine starke sinnliche Komponente, die durch das benutzte Material hervorgerufen wird und die düsteren und teilweise verstörenden Inhalte unterstreicht und verstärkt. Auch das Papier ist durch den Kontakt mit dem Stoff inzwischen etwas ölig geworden. Dadurch wirkt das Papier älter als es eigentlich ist (es erschien ca. 1999). Außerdem enthält das Zine einen kleinen Zettel, der mit einer extrem rostigen Büroklammer befestigt ist. All dies macht das Heft zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk, das starke Gefühle auslösen kann und beunruhigende Bilder von schwer depressiven, die Welt hassenden Menschen hervorruft.

Daniel

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#IZM2017 #Materialität #Zine #Perzine #Drogen #Suizid #Essstörungen

Zine of the Day: Xerography Debt (USA)

Der Juli ist wieder International Zine Month (IZM). Aus diesem Anlass stellen wir euch auch 2017 wieder einige aus unserer Sicht interessante Fanzines aus der Sammlung des Archivs der Jugendkulturen als „Zine of the Day“ vor…

Xerography Debt #40Xerography Debt gehört zu der heute äußerst rar gewordenen Spezies der sog. „Review Zines“. Unter der Bezeichnung versteht man Zines, die zum überwiegenden Teil aus den Besprechungen anderer Zines und Artikeln über Zine-relevante Themen bestehen.
Das wohl bekannteste Review Zine war Factsheet Five, das 1982 bis 1998 in den USA erschien und dieses Zine-Genre – wie kein anderes Review Zine – bis heute nachhaltig geprägt hat. Die Idee dahinter war folgende: Jedes Zine, das an dieses Review Zine geschickt wurde, wurde – so bizarr oder speziell es auch war – in einer Ausgabe von Factsheet Five rezensiert. Die Herausgeber*innen der eingesandten Zines erhielten im Gegenzug ein Belegexemplar dieser Ausgabe, die aber eben nicht nur die Besprechung ihres eigenen Hefts sondern auch das von hunderten anderen Zines enthielt. Auf diese Weise erfuhren Zine-Macher*innen aus allen möglichen lokalen und subkulturellen Kontexten, was es neben ihren Zines an weiteren aktuellen Publikationen gab. So trug Factsheet Five überhaupt erst zu einer szeneübergreifenden Vernetzung von Zinesters und der Herausbildung einer eigenständigen Zine-Kultur bei, wie wir sie heute kennen.

Im Kielwasser von Factsheet Five erschienen bis in die 2000er Jahre hinein diverse andere Review Zines wie beispielsweise Free Press Death Ship (USA), Zine Nation (USA), Zine World (USA) oder ZineZine (Deutschland). Mit der zunehmenden Verbreitung von Web 2.0-Technologien übernahmen Weblogs nach und nach die Funktion der bis dahin (fast) ausschließlich gedruckten oder kopierten Review Zines.

Das Xerography Debt ist eines der wenigen aktuellen Review Zines, die noch auf Papier erscheinen. Die langjährige Zine-Aktivistin Davida Gipsy Breyer aus Maryland (USA) veröffentlichte die Debütausgabe 1999. Über die Jahre gelang es ihr, weitere Mitstreiter*innen für Xerography Debt zu gewinnen, die regelmäßig nicht nur Artikel zu Zines-relevanten Themen, sondern vor allem auch eine beachtliche Menge an Zine-Besprechungen zu jeder Ausgabe beisteuern. Das Heft wird inzwischen von einer Vielzahl von erfahrenen und internationalen Zinesters geschultert, die zum Teil schon seit über 20 Jahren aktiv sind. Außer Davida, die neben Xerography Debt schon seit einer gefühlten Ewigkeit das Leeking Ink und The Glovebox Chronicles macht, sind unter anderem der in Japan lebende Mail Artist Gianna Simone, Joe Biel vom Zine-Distro Microcosm Publishing aus Portland (USA), die Comic-Zine-Zeichnerin Anne Thalheimer (USA), der seit den 1990er Jahren aktive Zine-Herausgeber und Gründer der Austin Zine Library, Josh Medsker sowie Stuart Stratu aus Marrickville (Australien) oder Carlo Palacios aus Frankfurt am Main. Jede*r dieser Mitautor*innen besitzt einen eigenen Schreib- und Besprechungsstil und bedient unterschiedliche Zine-relevante Themen – und zwar immer aus einer durchweg persönlichen und subjektiven Perspektive. Das macht Xerography Debt nicht nur zu einem inhaltlich umfangreichen, sondern auch zu einem durch und durch spannend zu lesenden Review Zine, das bisweilen sogar wie ein mehrstimmiges Perzine erscheint. Sein Untertitel lautet deshalb vollkommen zu Recht „The Review Zine With Perzine Tendencies!“

Xerography Debt #41

Xerography Debt erscheint aktuell zwei Mal im Jahr. Jede Ausgabe bietet dadurch einen kompakten Überblick über aktuelle Zines und Zine-relevante Themen der letzten sechs Monate. Vor wenigen Wochen erschien mit Xerography Debt #41 die neueste Ausgabe. Auf insgesamt 76 Seiten beinhaltet sie neben diversen Kolumnen, Interviews und Berichten zu Zines mehr als 150 Zine-Kritiken.

Weitere Informationen zu Xerography Debt gibt es auf der Zine-eigenen Webpage von Davida. Dort sind auch zahlreiche ältere Ausgaben als kostenfreie PDFs abrufbar. Und wem die Zeit zwischen den einzelnen Ausgaben zu lange ist, sollte hin und wieder einen Blick auf den Xerography Debt-Weblog oder die Facebook-Seite des Zines werfen. Dort werden regelmäßig weitere Zine Reviews, Nachrichten und Veranstaltungshinweise aus der Welt der Zines veröffentlicht.

Und selbstverständlich hat das Archiv der Jugendkulturen die Ausgaben der letzten Jahre ebenfalls in seinem Bestand. Interessierte können sie dort zu den Öffnungszeiten kostenfrei einsehen.

Christian

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Zine of the Day: Imponderabilia (Polen)

Der Juli ist wieder International Zine Month (IZM). Aus diesem Anlass stellen wir euch auch 2017 wieder einige aus unserer Sicht interessante Fanzines aus der Sammlung des Archivs der Jugendkulturen als „Zine of the Day“ vor…

Diverse Ausgaben des Imponderabilia Zines

Diverse Ausgaben des Imponderabilia Zines

Das erste Zine, das ich von Imponderabilia aka Wiktoria Natasza Konwent in die Hände bekam, hatte eine Archivkollegin mitgebracht. Kleines Format, ein Zine, das durch das Falten und Einschneiden eines A4-Blattes zu einem Heftchen wird. Es handelte von Alice B. Toklas und Gertrude Stein und war umwerfend komisch. Siehe auch: hier.

Die Künstlerin schreibt auf englisch, manchmal zweiprachig englisch/polnisch oder ausschließlich auf polnisch. Ihre Zeichnungen sind oft kunstvoll aus Wörtern gestaltet. Wortmalereien, die den Text gekonnt und originell illustrieren. Einige Zines haben politische Themen (wie über das Abtreibungsverbot in Polen) und erzählen von Frauen (z.B. über die polnische Künstlerin Zofia Stryjeńska oder die US-amerikanische Autorin Carson Mc Cullers). Ein paar dieser kreativen Werke gibt es auf dem Imponderabilia-Tumblr zum Selbstausdrucken und Basteln.

Anja

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#IZM2017 #zines #perzines #zineoftheday #feminism #poland #art

Zine of the Day: Sideburns #8 (Österreich)

Der Juli ist wieder International Zine Month (IZM). Aus diesem Anlass stellen wir euch auch dieses Jahr wieder einige aus unserer Sicht interessante Hefte aus der Fanzine-Sammlung des Archivs der Jugendkulturen als „Zine of the Day“ vor…

Sideburns #8_1

Sideburns #8 mit Filmdose als „Umschlag“

Manche Zines sind mehr als bloße Medien. Ihre Gestaltung macht sie zu regelrechten Kleinoden. Das Sideburns #8 von Andi Dvorak aus Wien ist für mich ein solches Schmuckstück. Dieses „Heft“ erschien irgendwann Mitte der 2000er Jahre und ist streng genommen gar kein Heft, sondern sprengt das typische Zeitschriften-Format, das die allermeisten Fanzines adaptieren. Im Gegensatz dazu erschien Sideburns #8 als Papierrolle in der Größe einer Filmrolle, die zusammen mit einem jeweils unterschiedlichen Gimmick (z. B. der Kugel einer hölzernen Perlen-Kette oder dem Säbel einer Lego–Piratenfigur) in einer entsprechenden Plastik-Filmdose mit Deckel. Die etwas mehr als eineinhalb Meter lange Papierrolle besteht aus acht beidseitig kopierten und mit Tesafilm aneinander gefügten Papierstreifen. Auf der Filmdose befinden sich zwei schmale Klebestreifen, einer mit dem Titel und der Nummer des Zines und ein anderer mit dem Zusatz: „The past can’t be undone“. Ich frage mich, wie lange Andi wohl gebraucht hat, um ein Exemplar von Sideburns #8 fertigzustellen, wie hoch wohl die Auflage dieser Ausgabe war und wie viel Arbeit es gemacht hat, die Filmdosen zu organisieren und sie zu bekleben, die Gimmicks in der passenden Größe zusammen zu tragen, die Kopiervorlagen für die Papierrolle herzustellen, sie beidseitig auf ein DIN A4-Blatt zu kopieren, sie zurechtzuschneiden, zu sortieren, in der richtigen Reihenfolge aneinanderzukleben und aufzurollen und das fertige Zine dann schließlich in diesem ungewöhnlichen Format zu verschicken. Sofort wird klar: Hier steckt enorm viel Herzblut und Leidenschaft drin! Das hier unterscheidet sich von den Kiosk-Magazinen und selbst den allermeisten Fanzines. Das hier ist augenscheinlich etwas sehr Persönliches.

Sideburns #8_2

Sideburns #8 – gerollt und nicht geheftet!

Inhaltlich geht es in Sideburns #8 auch tatsächlich um etwas sehr Persönliches: um zwischenmenschliche Beziehungen, um Liebe, Freundschaft und Vertrauen, aber auch um Enttäuschung, Herzschmerz und Trennung. Andi verarbeitet seine kürzlich gemachten Erfahrungen mit all dem in knappen handschriftlichen Notizen und kurzen Comic-Strip-artigen Zeichnungen. Seine in Schwarz-Weiß gehaltenen Bilder und Texte sind wie blitzlichtartige Moment-Aufnahmen aus dem Leben eines Unbekannten. Auch wenn sie sich auf konkrete Erlebnisse beziehen, deuten sie vieles bloß an, bleiben unscharf, uneindeutig und unvollständig. Gerade dadurch provozieren sie, die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse mit den Höhen und Tiefen zwischenmenschlicher Beziehungen mit denen von Andi abzugleichen. Im Sideburns #8 zu lesen ist, als würde man durch das Fotoalbum eines unbekannten Menschen blättern und sich auf manchen Bildern selbst zu erkennen.

Insofern ist die Aufmachung dieses Zines mit seiner Analogie zu einer Filmrolle nicht bloß Spielerei. Der Inhalt findet hier auch seine Entsprechung in der Form und das Medium selbst wird Mittel des Ausdrucks. Im Gegensatz zu vielen Art Zines, denen das ebenfalls gelingt, fehlt Sideburns #8 allerdings jegliche Zurschaustellung eines arty farty-Unterbaus. Stattdessen kommt es völlig unspektakulär im Gestus von D.I.Y. daher und wirkt gerade deshalb extrem sympathisch. All das macht das Sideburns #8 für mich zu einem tatsächlichen Kleinod in unserer Zine-Sammlung.

Andi ist heute immer noch in Sachen D.I.Y. aktiv. Mit seinem Label Fettkakao veröffentlicht er neben Platten auch weiterhin eigene Fanzines.

Christian

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#IZM2016 #Zines #Zineoftheday #Perzine #Beziehungen #Artefakt

Zine of the Day: ALEX #9 – Privacy and Persona (USA)

Der Juli ist wieder International Zine Month (IZM). Aus diesem Anlass stellen wir euch auch dieses Jahr wieder einige aus unserer Sicht interessante Hefte aus der Fanzine-Sammlung des Archivs der Jugendkulturen als „Zine of the Day“ vor…

Vorderseite von Alex #9 - Privacy And Persona

Vorderseite von Alex #9 – Privacy And Persona

Alex #9 ist ein unglaublich persönliches Zine. Über Privatsphäre. Wie geht das zusammen: Verborgen bleiben wollen und fast intime Zines schreiben? Autor_in Alex/Anne tastet sich an eine Antwort heran, ob die Öffentlichkeit, in die ein Mensch mit seinem Zine tritt, mit dem Wunsch nach Privatsphäre vereinbar ist. Es liest sich wie lautes Denken, nimmt Familie, Freund_innen, Kolleg_innen, soziale Netzwerke mit in den Blick. Ebenso sezierend-beobachtend werden Alltagserlebnisse und Gedanken seines/ihres queeren Lebens durchbuchstabiert in dem Versuch, sich der eigenen Identität verbal zu nähern. Unbedingt lesenswert!

Anja

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#IZM2016 #Zines #Zineoftheday #Gender #Privacy #Perzine

Zine of the Day: Die Kunst ist, über’s Kind zu rotzen (Deutschland)

Der Juli ist wieder International Zine Month (IZM). Aus diesem Anlass stellen wir euch auch dieses Jahr wieder einige aus unserer Sicht interessante Hefte aus der Fanzine-Sammlung des Archivs der Jugendkulturen als „Zine of the Day“ vor…

Cover von "Die Kunst ist, über's Kind zu rotzen"

Cover von „Die Kunst ist, über’s Kind zu rotzen“

„Die Kunst ist, über’s Kind zu rotzen. Lach- und Sachgeschichten über Schwangerschaft, Geburt und andere Körperfunktionen“ – Nein, dieses Zine ist kein Biologie-Ratgeber! Es enthält auch keine Schwangerschaftstipps und auch alle, die sich einen Erklärbär-Einspieler im „Sendung mit der Maus“-Stil erhofft haben, muss ich leider enttäuschen.

Clara mit Zine als Tarnung vor gewalthaltigen Büchern

Clara mit Zine als Tarnung vor gewalthaltigen Büchern

Stattdessen ist dieses Zine eine malerische, hemmungslos direkte Erzählung einer Schwangerschaft, die oft unverhofft, aber doch oft öfter als erhofft in das Leben vieler Menschen mit Gebärmutter tritt. Und wie der Titel schon sagt: Es geht – wie in so vielen Geschichten um Schwangerschaft – ums Kotzen, Rotzen und das, was das da mit dem Körper macht. Ich habe dieses Zine als eins der ersten in meinem Leben in meiner Hand gehabt und konnte es erstmal nicht loslassen. Vielleicht nicht nur, aber auch, weil die Komposition aus Worten und kleinen Zeichnungen am Rande, einfach authentisch rüberkommt.

Clara

Mehr Infos zum International Zine Month (IZM) sind hier zu finden.

#IZM2016 #Zines #Zineoftheday #Schwangerschaft #Punk #Perzine

 

 

 

Zine of the Day: Kids in Misery

Kids in Misery #2 (2008)

Kids in Misery #2 (2008)

„wir sind uns darüber bewusst, dass DIY nicht zur abschaffung des kapitalismus führt, eher zu einer süßen kleinen szenenische. Aber es ist einfach zu schön…“

Mit diesen Worten beginnt das Kids in Misery Zine #2. Sehr treffende Worte, wie ich finde. Denn dieses Zine ist wirklich zu schön! Der liebevoll gebastelte Umschlag fällt schon im flüchtigen Vorbeigehen ins Auge (so ist es mir übrigens auch in die Hände gefallen) und trotz teilweise schlecht kopierter Seiten ist es von Innen nicht weniger großartig:
Viele tolle Zeichnungen, Collagen, Gedichte, ein Aufnäher, und alles nicht nur herzallerliebst schön, sondern mindestens genauso kantig: radikal und wütend, nachdenklich und auch ein wenig bedrückend.

Am tollsten finde ich die praktischen „smalltalk-must-die“-Kärtchen zum Weiterverbreiten, die Fragensammlung „schön genug für deine szene?“, die den Anstoß geben kann über die eigene Identitätskonstruktion nachzudenken und den sehr persönlichen Text „helfersyndrom-safari“, eine Reflexion über Erlebnisse des Autors oder der Autorin in Indien.

http://www.stolensharpierevolution.org/international-zine-month

#IZM2015 #Zines #Fanzines #Zineoftheday #Perzine #DIY #Punk #Emo

– Svenja