Kurzmitteilung

„Alle Geschichten (er)zählen- Kreatives Schreiben in der Antidiskriminierungsarbeit“

Die von der BPB geförderte Veranstaltung am 30. November 2017 bieten wir zum Thema „Alle Geschichten (er)zählen- Kreatives Schreiben in der Antidiskriminierungsarbeit“ an.

Multiplikator*innen aus verschiedenen Bereichen der Jugend- und Sozialarbeit soll der Bildungstag eine Fortbildungsmöglichkeit bieten, um schreibpraktische Methoden aus der antirassistischen und antidiskriminierenden Bildungsarbeit kennenzulernen und diese Erkenntnisse praktisch umsetzen zu können. Der Bildungstag hat das Ziel eigenes Handeln zu reflektieren, eigene Wissensquellen zu erweitern und einen machtkritischen und intersektionalen Bildungsansatz zu vermitteln.

Termin:    30. November 2017

Uhrzeit:    10:00 – 17:00 Uhr (6 Std. plus 1 Stunde Mittagspause)

Veranstaltungsort:    Archiv der Jugendkulturen e. V., Fidicinstr. 3, 10965 Berlin

 Referent*in:

Claire Horst arbeitet als freie Bildungsreferentin in der politischen Bildungsarbeit, als Schreibtrainerin, als DAF Lehrerin und Autorin sowie als freie Journalistin.

Sie hat Neuere deutsche Literatur, Philosophie, Englische Philologie, Magister; Fernstudium DaF, Studium Biografisches und kreatives Schreiben, Master studiert.

Neben dem kreativen Schreiben hat Claire Horst Fortbildungen im Bereich der vorurteilsbewussten Erziehung absolviert.  Außerdem Tätigkeit für Vereine, Universitäten, freie Bildungsträger, Schreibberatung für Einzelpersonen.

Teilnahmegebühr: 4,40 Euro

Die Veranstaltung ist offen für alle Interessierten.

Wir bitten um verbindliche Anmeldung bis zum 15.11.2017 bei saskia.vinueza@jugendkulturen.de

Hinweis:

Da wir nur 15 Teilnehmenden die Möglichkeit geben können die Fortbildung wahrzunehmen, möchten wir darauf hinweisen, dass die Anmeldung verpflichtend zu verstehen ist. Falls Sie verhindert sich, bitten wir  darum mindestens 4 Tage vorher abzusagen, damit andere Interessierte nachrücken können.

Für einen Imbiss (vegetarisch/vegan) wird gesorgt.

Der Veranstaltungort ist barrierearm.

Sprengel für alle

Ute Wieners
Sprengel für alle. Autobiografische Erzählungen
Edition Region und Geschichte 2017
302 Seiten
18,80 Euro

U1_U4_Sprengel-194x300Ute Wieners berichtet in ihrem zweiten Buch über die ersten zehn Jahre des Geländes der ehemaligen Schokoladenfabrik Sprengel in Hannover. Dieses wird im Sommer 1987 besetzt. In einem mehr als desolaten Zustand vorgefunden, werden Fensterscheiben eingesetzt und in Eigeninitiative das notwendigste hergerichtet. Bald wohnen dort, wie heute noch, um die 50 Personen, es gibt auf dem 16.000 Quadratmeter großen Gelände mit mehreren Gebäuden Ateliers, Kneipen und Werkstätten. Die Bewohner*innen sind nach Häusern und nach Küchen organisiert, die dann auch schnell verschiedene, treffende Namen bekommen: Im Mittelbau wohnen die Trinkpunks, es gibt die Balkon- und die Kaderküche (dort treffen sich die Polit-Cracks) oder die Frauenküche.

Die 1962 geborene Wieners möchte mit ihrem Buch ihre Geschichte, bzw. die Geschichte der besetzten Fabrik aus ihrer Perspektive und ihrer Wahrnehmung erzählen: Detailliert zeichnet sie verschiedene Paradiesvögel, Polit-Leute, Schnorrer und auch Soziopath*innen und deren Verhalten nach. Der zweite Strang des Buches ist die politische Ebene: Verhandlungen mit der Stadt, Bündnispolitik im Stadtteil, Öffentlichkeitsarbeit und die Vorgänge um die Chaostage 1995 und 1996. In den ausführlich referierten Konflikten zwischen Autonomen und Punks (bzw. in der Bezeichnung der jeweiligen Gegenfraktion „Automaten“ und „Gorillas“) nimmt sie eher eine Mittel- bis vermittelnde Position ein  – und sitzt so schnell zwischen allen Lagern.

„Normale“ Linke, „normale“  Punker*innen oder „normale“ Autonome, wenn so ein Begriff verwendet werden soll, scheint es dort seinerzeit wenige gegeben zu haben. Dafür aber umso mehr Alkohol und andere Drogen, Faustrecht, Sexismus, Mackertum und kaputte Typen, Müll, Drohungen und Angst. So stellt sich schnell selbst für mit linkem oder anarchistischem Gedankengut sympathisierende Leser*innen die große Frage: Warum tut die Autorin sich solch ein Klima so lange an? Und ist es nicht eine Bankrotterklärung ersten Ranges, wenn Wieners, die bis heute auf dem Gelände lebt, bei einer Lesung erzählt, sie würde so eine Besetzung wegen der Konflikte mit der Polizei, der Stadtverwaltung oder Nazis jederzeit wieder machen. Wenn sie etwas davon abhalten würde, dann der Psychostress, dem sie durch die Binnenverhältnisse ausgesetzt war.

Das Buch ist sicher keine „packend und witzig erzählte Kultur- und Politikgeschichte der 1980er und 1990er Jahre“, wie der Verlag schreibt, das wäre ein zu hoher Anspruch. Es ist vielmehr eine subjektive Sicht auf einen Mikrokosmos und auf eine schon damals – und erst recht heute – sehr schräg bis destruktiv wirkende Dynamik, die sich Bahn bricht, wenn in Freiräumen keine von allen geteilten Verabredungen gelten.

„Zum Glück hab es Punk“ heißt das erste, 2012 erschienene Buch von Wieners. Es endet ungefähr da, wo „Sprengel für alle“ beginnt. Mehr dazu auf ihrer Website.

Bernd Hüttner