Clubkultour Berlin

Clubkultour-BerlinEine Projektgruppe der Berliner Clubcommission bietet ab diesem Monat eine Stadtführung zur Technoszene und Clubkultur ab 1990 an. Wir waren letzte Woche bei der Pressetour dabei und haben uns von Eberhard Elfert, dem Sprecher der Gruppe, zeigen lassen, wie nach dem Mauerfall Räume angeeignet wurden, um Clubs für Liebhaber*innen elektronischer Musik zu eröffnen. Wie man bei der Tour, die entlang des ehemaligen Mauerstreifens vom Potsdamer Platz bis zur Arena am Ufer der Spree führt, gut nachvollziehen kann, ist Clubkultur in Berlin stark von Wanderungsbewegungen geprägt, da die Clubs in Temporären Autonomen Zonen entstanden sind, die sie im Laufe der Zeit verlassen mussten, um weiterzumachen zu können. So geschehen zum Beispiel im Fall der Maria am Ostbahnhof, dem WMF, dem Tresor oder dem Ostgut (heute Berghain).

Für die Clubs war in der Anfangszeit die Hausbesetzerszene nicht unwichtig. Das Wissen und die Erfahrung in Bezug auf Strategien der Aneignung als auch über die Inbetriebnahme verlassener Orte spielte eine wichtige Rolle. Die neuen Orte des Nachtlebens befanden sich überwiegend entlang des ehemaligen Mauerstreifens, weil dort leerstehende Gebäude und ungenutzte Flächen aus Zeiten der DDR (z. B. das 2000 abgerissene Ahornblatt in der Gertraudenstraße), Gebäude der Grenzinfrastruktur an der Spree (z. B. ein Bootshaus  für Patrouillenboote, in dem sich der Club Kiki Blofeld befand) und Gebäude und Ruinen im Bereich des ehemaligen Todesstreifens (z. B. der Tresorraum des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses in der Leipzigerstraße) besetzt bzw. zwischengenutzt werden konnten.

Die Tour hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur über die Geschichte der Berliner Clubkultur zu informieren, sondern sie auch in den Kontext der Berliner Stadtgeschichte einzubinden und die Hintergründe der Orte zu beleuchten. Es wird diesbezüglich beispielsweise kritisch hinterfragt, warum im Bereich der Schillingbrücke (Nähe Ostbahnhof), wo sich Clubs wie u. a. die Maria befanden und heute das Yaam zu Hause ist, bis heute keine Hinweise auf die häufig tödlich geendeten Fluchtversuche zu finden sind. Andererseits steht auch der Wandel der Stadt seit den 1990er Jahren im Fokus der Tour, also Gentrifizierung und Verdrängung genauso wie die Institutionalisierung und Professionalisierung ehemals improvisierter Orte zu anerkannten Kultureinrichtungen. Das dieser Wandel allerdings noch nicht alle Freiräume zum Verschwinden gebracht hat, zeigt das Kultur- und Nachbarschaftsprojekt Teepeeland an der Spree, durch das die Tour ebenfalls führt.

Elfert macht auf der Tour deutlich, dass bestimmte Faktoren oder spezifische Wandlungsprozesse wie die Entwicklung vom Analogen zum Digitalen, die Anknüpfung an die Subkulturen West-Berlins als auch die Wanderungsbewegungen innerhalb der Szene eine wichtige Rolle auch bei der Betrachtung und Verortung der Clubs spielt. Auch wenn es noch Widerstand gegen eine Historisierung von Clubkultur von Seiten der Technoszene selbst gibt, ist diese mittlerweile massiv in Gang gesetzt worden, nicht zuletzt aufgrund des 25-jährigen Jubiläums des Mauerfalls. Hier ist ein Angebot wie die „Clubkultour“ eine so naheliegendes wie wichtiges Angebot, gerade wenn es nicht alleine um eine oberflächliche Betrachtung oder gar Verklärung der Berliner Clubszene geht.

Die Tour setzt allerdings, zumindest in der Form, wie wir sie erfahren haben, viel Wissen über die Berliner Szene voraus. Auch wenn Elfert zu vermeiden versucht, über die effektvollen Inszenierungen der Geschichte an Jahrestagen zu sprechen oder die Geschichten einzelner Protagonist*innen der Szenen zu erzählen, so wäre dies an manchen Stellen vielleicht doch sinnvoll. Für weniger involvierte Personen können sie Bezugspunkte darstellen, um einen Zugang zur spannenden Geschichte Berlins zwischen Todesstreifen und Technopartys zu erleichtern.

Die erste Tour findet am kommenden Samstag, dem 05.09. statt, weitere Termine für dieses Jahr sind 19.09., 03.10. und 17.10. Die Tour startet jeweils um 14:00h Ecke Wilhelmstr./Leipziger Straße. Die Tour findet per Fahrrad statt (bitte mitbringen). Kosten: 13 bzw. ermäßigt 11€. www.clubkultour.de

Tanja Ehmann & Daniel Schneider

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